Archiv

Gemeinsame Schöpfung

Soziale Skulptur


Wasserschöpfung entlang der Großen Mühl, 60 km von der Quelle/Böhmerwald bis zur Mündung/Donau

Ein WASSER.ZEICHEN® Projekt von Joachim Eckl in Kooperation mit dem Büro Plansinn Wien: DI Bettina Wanschura, DI Hannes Posch, DI Wolfgang Gerlich, Dr. Mathilde Urban und Bernard&Partner: DI Wolfgang Schütz (beratender Ingenieur)

August 2003
Österreich/Tschechien

 

Initiator des Projekts WASSER.ZEICHEN® ist der Künstler Joachim Eckl. Wasser ist die Basis menschlicher Interaktion und der Treibstoff für diese Soziale Skulptur. Das Wasser ist aber auch ein Speichermedium, das wie eine "evolutionäre Diskette" die Informationen über organische Prozesse in sich trägt. Die Idee der Gemeinsamen Schöpfung entstand aus der Erkenntnis, als einzelner Mensch einen Fluss nicht in seiner Gesamtheit erfassen zu können. Bereits im Sommer 2002 begann Eckl, inspiriert durch die Zusammenarbeit mit seinem Künstlerfreund Klaus Rinke, seine "WasserSchöpfAktion" an der Großen Mühl.

 

An jedem der 60 Flusskilometer - von seinem Ursprung am Fuße des Dreisesselberges bis hinunter zur Donau - haben rund 200 Menschen an 60 Stellen gleichzeitig Wasser aus der Großen Mühl geschöpft. Durch diese gemeinsame Handlung entstand eine einmalige Momentaufnahme des Flusses.

 

Anschließend wurden die Wasser der Großen Mühl von ihren SchöpferInnen in die Station gebracht und dort im "MühlwasserRaum" eingelagert. Die Aktion fand bei einem gemeinsamen Essen, bei dem mit „Wasser gekocht wurde“, ihren sinnlichen Ausklang. Eingeläutet wurde die „Gemeinsame Schöpfung“ von den Glocken der zwölf Kirchen entlang der Großen Mühl: Um 15.00 Uhr läuteten alle Kirchenglocken im Mühltal gleichzeitig drei Minuten lang.

 

Die Gemeinsame Schöpfung ist Herzstück und Generator für das Projekt WASSER.ZEICHEN®. Das Ziel von WASSER.ZEICHEN® ist es, die Wertschätzung der Menschen für "ihren" Fluss und sein Umland zu steigern. WASSER.ZEICHEN® will mittels künstlerischer und sozialer Aktionen positive Impulse für eine nachhaltige Entwicklung der Großen Mühl und der Region setzen.

 

Die Energie der Großen Mühl wurde seit jeher von den Menschen genutzt, zunächst zum Schwemmen von Holz und als Antrieb von Mühlen und Sägen. Bis ins 20. Jahrhundert wurden etwa 30 Kleinmühlen entlang der Große Mühl mit Wasserkraft betrieben. Der Urgroßvater von Joachim Eckl baute 1907 eines der ersten Flusskraftwerke in der Region, um "Licht in den Ort zu bringen". Seither sind viele Kleinkraftwerke entlang der Großen Mühl errichtet worden.

 

Der Gewässergütezustand der Großen Mühl weist beinahe durchgehend Klasse I-II bzw. II auf, in einem Abschnitt bei Neufelden allerdings Gewässergüte III (BMLF 1995). In diesem Flussabschnitt ist das Gewässerkontinuum durch das Stauwehr des Kraftwerks Partenstein unterbrochen (errichtet 1919-24).

 

Hauptziel des Projektes WASSER.ZEICHEN® ist es, die Große Mühl im untersten Flussabschnitt, ca. 12 km vor der Mündung der Großen Mühl in die Donau, wieder zu beleben. Die Große Mühl soll hier wieder mehr Wasser erhalten und wie auch in den oberen Flussabschnitten in ihrer Lebendigkeit sichtbarer Ausdruck eines verantwortungsvollen Umgangs der Menschen mit ihrem Land und Fluss werden.

 

Wasserzeichen


Hintergründe zum Projekt „Gemeinsame Schöpfung“

Wasser für die Mühl


Nach Initiative von HEIM.ART® und Wasserlandesrat Rudi Anschober steigerte die Energie AG ab 1.2.05 freiwillig die Restwasserabgabe beim Kraftwerk Partenstein auf 300 Liter pro Sekunde – die Mühl wird unterhalb Neufelden wieder ein richtiger Fluss.

Technik


Seit 1924 wird im Kraftwerk Partenstein Strom erzeugt. Der Bau der Anlage galt als technische Meisterleistung, zum Zeitpunkt der Errichtung war dies das größte Kraftwerk Österreichs. Der als Wochenspeicher dienende Stausee Langhalsen hat ein Volumen von über 700.000 Kubikmeter. Heute werden damit ca. 100 Gigawattstunden Strom pro Jahr erzeugt. Die wasserrechtliche Bewilligung läuft bis zum Jahr 2012.

Bevölkerung


Die Bevölkerung der Region war von Anfang an eng mit dem Kraftwerksbau verbunden. Zum einen war der Bau ein wichtiger Arbeitsimpuls in der Region, bei dem die lange Tradition der Wassernutzung an der Mühl fortgesetzt wurde und zum anderen waren Teile der Bevölkerung unmittelbar von den Veränderungen betroffen. Die kleine Ortschaft Langhalsen etwa musste dem Stausee weichen. Seit Beginn der 1990er Jahre trat die Situation unterhalb der Staumauer verstärkt ins Bewusstsein der angrenzenden Bevölkerung. Man begann sich wieder vermehrt mit dem "Gewässer und Lebensraum Mühl" zu beschäftigen. Anfangs machten die Fischer auf die fehlende Wassermenge in der Restwasserstrecke aufmerksam. Die Aktionen und Bemühungen des Kulturvereines HEIM.ART®‚ unter der Federführung des Künstlers Joachim Eckl zeigen einen neuen Weg der möglichen Einbeziehung der Bevölkerung. Die Identifikation mit dem Gewässer wurde geweckt bzw. gesteigert, Vorschläge für eine Lebensraumverbesserung wurden vorgelegt. Die Gemeinden Kleinzell und Neufelden haben Resolutionen zur nachhaltigen Entwicklung des Gewässerraumes "Große Mühl" verabschiedet. 

Ökologie:


Ähnlich dem benachbarten Rannatal ist auch das Tal der Großen Mühl im Bereich der Durchbruchsstrecke zur Donau von besonderem landschaftlichen Reiz und beherbergt zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten. Seit 80 Jahren ist die über 10km lange Strecke unterhalb der Staumauer Langhalsen bis zur Donau geprägt durch das geringe Wasserangebot. Bis 1994 wurde das Wasser zur Gänze im Stausee Langhalsen zurückgehalten und direkt zur Donau hin abgearbeitet. Anstelle der üblichen 2,5 m pro Sekunde war ein weitgehend trockenes Bachbett vorhanden - zumindest bis zur Einmündung der ersten Seitenbäche ca. 1 km unterhalb der Staumauer. Als erstes Teilergebnis eines wasserrechtlichen Anpassungsverfahrens wird dieser Bereich seit 1994 mit 100 Liter/Sekunde aus dem Stausee dotiert, was schon zu einer nachweislichen Verbesserung der ökologischen Verhältnisse geführt hat.

Vor diesem Hintergrund kam es 2004 zu mehreren Gesprächen unter Einbeziehung der Beteiligten. Nunmehr konnte einvernehmlich ein Fahrplan für die weitere Vorgangsweise an diesem besonderen Standort - in Bezug auf Kraftwerksnutzung und Ökologie - festgelegt werden. 

> Die EnergieAG wird von nun an freiwillig eine Restwassermenge von 300l/s aus dem Stauraum Langhalsen in die Restwasserstrecke abgeben. Die Dotationseinrichtung wird so gestaltet, dass die jeweils aktuelle Abgabemenge leicht einsehbar abgelesen werden kann.

> Zur endgültigen Festlegung der Restwassermenge wird von der Wasserrechtsbehörde eine "Restwasserstudie" beauftragt, die die Auswirkungen der neuen Wasserdotierung begleitend untersucht. Diese soll, neben den von der EnergieAG weitergeführten ökologischen Untersuchungen, gesicherte Aussagen über das Mindestmaß der für die Ökologie erforderlichen Wassermenge im Unterlauf der Mühl geben. Bis Ende 2006 soll es anschließend auf Basis der Untersuchungsergebnisse zu einer endgültigen Fixierung der Restwassermenge kommen.

> Die Ziele des Projektes "Die Wasser der Großen Mühl" und die Entwicklung eines Gewässerraumleitbildes werden weiterverfolgt. D.h. die Maßnahmen dürfen sich nicht allein auf die Restwasserabgabe beschränken, sondern es sind auch andere ökologische Optimierungsmöglichkeiten (z.B. Anbindung von Nebenbächen, Auflösen bzw. Passierbarmachen der Querbauwerke) unter Einbeziehung der interessierten Bevölkerung im Sinn des Wasserrechtsgesetzes und der Wasserrahmenrichtlinie zu entwickeln und um zu setzen. Wasserlandesrat Anschober zeigt sich erfreut, dass seitens der EnergieAG Verständnis für die Notwendigkeit einer zeitgemäßen Restwasserabgabe aufgebracht wird. Durch die europäische Wasserrahmenrichtlinie besteht auch verstärkter Handlungsbedarf bei der ökologischen Anpassung von Wasserkraftanlagen. Deshalb wurde auch im Regierungsübereinkommen das Projekt an der Großen Mühl als Pilotprojekt für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie unter Einbeziehung der Bevölkerung verankert. Mit der durchgeführten Erhöhung der Restwasserabgabe ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan. Die Verhältnisse in der Restwasserstrecke werden sich dadurch deutlich verbessern. Durch die Sichtbarmachung der jeweils abfließenden Wassermenge kann das Vertrauen zur Bevölkerung gestärkt werden. 

Die Kommunikationsexpertin Bettina Wanschura von PlanSinn, die das Projekt „Gemeinsame Schöpfung“ begleitete, beschreibt den Erfolg der Kunstaktion: 

„Joachim Eckl initiierte ein Ritual. Rituale sind Aktivitäten, die aus der Rückbindung – der „religio“ – motiviert sind. Damit ist die Sogwirkung dieser Aktion zu erklären. Die Menschen fühlten sich nicht intellektuell angesprochen, sondern die Handlung bewegte die Menschen innerlich. Die Kraft des Rituals war spürbar, als die SchöpferInnen die Wasser zum Lagerhaus brachten. Sie sprachen nicht viel, aber ihre Mimik verriet große Zufriedenheit, Freude, auch Spaß an der Aktion.“

Durch die Aktion wurde der Nährboden für Beteiligung und Umweltbildung geschaffen: „Die Menschen wollten bei der rituellen Handlung dabei sein. Eine Sogwirkung, eine politische Kraft entstand. Das gemeinsame Bewusstsein der Bevölkerung des Mühltals für ihren Fluss und sein Umland wurde gehoben. Die Notwendigkeit der Revitalisierung des Flusses ist nun allgemein bekannt.“

 

(aus: Bettina Wanschura: WASSER.ZEICHEN: Wie Bildung und Beteiligung in Fluss kommen. In: Wege zum Wasser. FORUM Umweltbildung, 2004)