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Die Nacht kurz vor den Wäldern

Von Bernard-Marie Koltès

Monolog

Mit Sebastian Hufschmidt

Im Rahmen von Land in Sicht - Wellengang

15. Juli 2009
Station Neufelden

Besuchergruppe: Bankangestellte

 

Was bleibt dem Menschen, wenn er ganz allein ist? Seine eigene Geschichte. Und die kann er erzählen. Koltès, der mit diesem Theatertext beim Festival in Avignon 1977 seinen Durchbruch als Dramatiker erzielte, gestaltet dieses Erzählen in der Poesie der Ausgestoßenen auf der Grenze zwischen Zivilisation und Wildnis. 
Ein namenloser Mann in einer regnerischen Nacht. Er ist auf der Suche nach einem Zimmer, nach einem Freund oder einfach jemandem, der zuhört. Er ist fremd in diesem Land und an diesem Ort, einer Großstadt im westlichen Europa. In einem Hotelflur findet er Zuflucht - vielleicht hat ihn ein Nachtportier hereingelassen, vielleicht hat er sich auch hineingeschlichen, um seine Haare und Kleider zu trocknen. Während aus den Zimmern immer wieder Geräusche dringen, tigert er ruhelos im Flur auf und ab, spricht mal mit sich selbst, mal mit uns oder einem Kameraden, den er sich vorstellt. Es tauchen Erinnerungen an Situationen und Orte auf, an kürzlich Erlebtes und weiter Entferntes: da sind die Fabrik und die Wohnungen voll familiärer Behaglichkeit, die Hotelzimmer, die öffentlichen Toiletten, Brücken und Straßenecken; da ist auch der Friedhof, die Wiese und das Zuhause in einem anderen Land. 
Koltès verarbeitet die Erfahrungen des Außenseiters und Fremden zu einem atmosphärisch dichten Stück Literatur, dessen Reichtum an "inneren" Bildern wahres Kopfkino beim Zuschauer erzeugt.